Christa Wolf - Eine Dichterin aus Landsberg
Christa Wolf wurde 1929 in Landsberg an der Warthe als Tochter der Kaufleute Otto und Herta Ihlenfeld geboren. Sie besuchte dort bis kurz vor Kriegsende die Schule. Nach der Flucht vor den anrückenden sowjetischen Truppen fand die Familie 1945 vorerst in Mecklenburg eine neue Heimat. Wolf arbeitete als Schreibhilfe beim Bürgermeister des Dorfes Gammelin bei Schwerin. Sie beendete die Oberschule 1949 mit dem Abitur in Bad Frankenhausen und trat im selben Jahr in die SED ein, deren Mitglied sie bis zu ihrem Austritt im Juni 1989 blieb. Von 1949 bis 1953 studierte sie Germanistik in Jena und Leipzig, unter anderem bei Hans Mayer. Christa Wolf arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Schriftstellerverband und als Lektorin verschiedener Verlage sowie als Redakteurin bei der Zeitschrift „neue deutsche literatur“. Von 1955 bis 1977 war sie Mitglied im Vorstand des Schriftstellerverbands der DDR. 1961 debütierte Wolf mit ihrer Moskauer Novelle über die Liebesbeziehung einer Ostberliner Ärztin
zu einem russischen Dolmetscher. Seit 1962 war Christa Wolf freie Schriftstellerin. Sie lebte von 1962 bis 1976 in Kleinmachnow und danach in Berlin. Von 1963 bis 1967 war sie Kandidatin des ZK der SED und seit 1974 Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Bereits 1972 unternahm sie eine Reise nach Paris und wurde 1984 Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Paris. Zwei Jahre später trat sie der Freien Akademie der Künste in Hamburg bei. Da sie zu den Unterzeichnern des „offenen Briefes gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns“ gehörte, wurde sie 1976 aus dem Vorstand der Berliner Sektion des Schriftstellerverbandes der DDR ausgeschlossen und erhielt in einem SEDParteiverfahren eine „strenge Rüge“. Wolf unternahm viele Lesereisen, unter anderem nach Schweden, Finnland, Frankreich und in die USA, wo sie das Ehrendoktorat der Ohio State University erhielt. Sie zählte zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern ihrer Zeit, ihr Werk wurde in viele Sprachen übersetzt.
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Gorzów würdigt eine Landsbergerin
Denkmal für Christa Wolf Beim Blättern in den „Kindheitsmustern“ Die Bank von Nelly kurz vor der Einweihung, fotografiert von Armin Schubert 27 den und am 31.07.2015 künstlerisch umgesetzt: „Schafgarbe, Wiesenschaumkraut, Johanniskraut, blaue Wegwarte, Huflattich, Beifuß, Wegerich und Hirtentäschelkraut. Wie es eben überall vorkommt, behauptete H. (...) Da sei auch nicht die Spur von etwas Besonderem. Du sahst aber, und jeder musste es doch sehen, daß auf diese Weise, in dieser botanischen Zusammensetzung, nur ein Straßengraben jenseits - oder vielmehr diesseits - also jedenfalls östlich der Oder gewachsen sein kann.“ (KM, AV, K.3, S.76) Nicht nur die Pflanzen selbst wurden überdimensional groß auf die Giebelwand eines großen Mietshauses an der Aleje 11 Listopada, der früheren Küstriner Straße, unweit des Geburtshauses von Christa Wolf am Sonnenplatz 5, gemalt, sondern es fand dort auch das angeführte Zitat in Deutsch und Polnisch, sowie eine kurze zweisprachig gefasste biographische Note mit einem Bildnis der Autorin Platz. Die Eigentümergemeinschaft des Hauses verzichtete mit ihrer Zustimmung zum Projekt auf die Einnahmen aus der Werbefläche und trägt damit die seit einiger Zeit in Gorzow populäre Losung mit:„Eine Stadt, zwei Namen, eine Geschichte“. Die Künstlergruppe verfolgt mit ihrem Projekt eine durchaus didaktische Schiene. Jede der aufgeführten Pflanzen wird auf Polnisch, Deutsch und nach ihrem botanischen Namen in Lateinisch genannt. Es sei am Rande erlaubt zu fragen, wie innig und intensiv die Spurensuche für Christa Wolf bei ihrem Besuch in Gorzow im Jahr 1971 gewesen sein muss, dass sie sich zu diesen Kräutern bückte und in dieser Zusammensetzung ihre eigentliche Heimat entdeckte. Das Blättern in den „Kindheitsmustern“ brachte eine andere Gruppe engagierter Stadtbürger, nämlich die „Gesellschaft der Freunde Gorzows“ mit ihrem Vorsitzenden Jerzy Synowiec, zu einer anderen Entdeckung. Sie stießen bei der Lektüre von „Kindheitsmustern“ auf das Mädchen Nelly Jordan, eine 15-jährige, die am 30. Januar 1945 ihre Heimatstadt Landsberg an der Warthe für immer verließ. Nelly ist der verschlüsselte Name für Christa Ihlenfeld, wie Christa Wolf mit Mädchennamen hieß. Die Freunde Gorzows beauftragten einen Gorzower Künstler, Michal Bajsarowicz, Nelly anhand der vorhandenen Fotos realistisch darzustellen, als Standbild in Bronze zu gießen und auf eine alte Landsberger Steinbank zu setzen. Seit dem 29.10.2015 ist sie nun da, auf der Grünfläche neben der Marienkirche. In der Hand hält sie ein Buch, dessen Seiten im Wind flattern:
„Kindheitsmuster“, aus dem sie entsprungen ist. Die Enthüllung der menschengroßen Statue wurde mit einem kurzen Colloquium in der Stadtbibliothek eingeleitet. Wir hörten die Begrüßungsworte des Vizestadtpräsidenten Janusz Dreczka, der Vorsitzenden der Christa-Wolf- Gesellschaft Frau Therese Hörnigk und der Vorstandsmitglieder der Freunde Gorzows, Arkadiusz Grzechocinski und Robert Piotrowski, sowie des polnischen Buchautors Gabriel Leonard Kaminski. Dann folgten Kurzvorträge von jungen Wissenschaftlerinnen und Studentinnen aus Polen und Deutschland zum Schaffen von Christa Wolf. Die Beiträge wurden von dem Simultandolmetscher Herrn Grzegorz Zaloga ehrenamtlich und auf Giebelwand in der Aleje 11 listopada 113 (ehem. Küstriner Strasse) fotografiert von Gregor Stach Eine zweisprachige biografische Note zu Ch. Wolf an der Giebelwand, Strasse Aleje 11 listopada 113 (ehemalige Küstriner Strasse) fotografiert von Gregor Stach 28 meisterliche Art übersetzt. Im Plenarsaal der Stadtbibliothek befand sich auf der deutschen Seite unter anderem eine große Gruppe interessierter Gäste aus Deutschland, denen die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Fahrt mit einem Reisebus gesponsert hatte, sowie auch einige individuell Reisende. Auf der anderen Seite waren natürlich viele geschichtsinteressierte Gorzower Bürger anwesend. Zu betonen ist, dass ähnlich wie schon im Vorjahr, bei der Enthüllung des Gedenksteines für die 1938 verbrannte Synagoge, wieder eine große Gruppe Gorzower Gymnasiasten dabei war und an dieser sehr anschaulichen Geschichtsstunde zusammen mit den Vertretern der Christa-Wolf-Gesellschaft aus Deutschland teilgenommen hat. In den Redebeiträgen im Plenarsaal der Bibliothek und in der Kurzreportage des Senders RBB welcher noch am selben Tag in den Abendnachrichten ausgestrahlt wurde, zeigte sich ein Leitmotiv: Kinder, die vertrieben wurden oder auch geflohen sind. Es wurde von deutscher Flucht und Vertreibung, es wurde von Nelly gesprochen, aber auch über das Phänomen der Vertreibung der polnischen Kinder aus Ostpolen nach dem Krieg oder die Vertreibung aus Warschau nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes blieben nicht unerwähnt. Vielleicht eben auch deshalb passierte bei der Enthüllung der Bank von Nelly etwas Unfassbares. Für den Gorzower Publizisten Piotr Steblin-Kaminski, der bisher dem Projekt eher skeptisch gegenüber stand - wie er einen Tag später in „Echo Gorzowa“ schrieb - hat die Bank von Nelly ganz plötzlich das Schicksal von Millionen vertriebener Kinder weltweit Gerhard Wolf mit der Vorsitzenden der Ch.-Wolf-Gesellschaft, Prof. Dr. Therese Hörnigk nach der Enthüllung der Bank von Nelly, fotografiert von Fr. Sonja Leinkauf verkörpert. Es geschah ihm eine unerwartete Läuterung. Bei ihrer universellen Botschaft, die man der Bank ganz gewiss entnehmen kann, ist diese Bank in erster Linie an Christa Wolf, ihre Nachwirkung und Wechselbeziehung mit ihrer Geburtsstadt geknüpft: „Es ist eine bewegende Sache - sagte Gerhard Wolf dem RBB Fernsehteam in der Stadtbibliothek von Gorzow-, dass diese Stadt, in der eine Frau, die ein Buch über diese Stadt geschrieben hat, aber die praktisch nur als Kind hier lebte, dass man dieser Frau dieses Gedenken widmet, sodass in vielfältiger Weise eine Beziehung entstanden ist, die sehr lebendig ist.“ Die Vorsitzende der Christa-Wolf-Gesellschaft, Frau Therese Hörnigk, ergänzte: „Man ist sehr bemüht, beide Kulturen miteinander über die historischen Klippen hinweg zu verbinden und eine völkerverbindende Art und Weise der Erinnerung zu pflegen“. Die Enthüllung der Bank beendete einen Zeitabschnitt der fortdauernden deutschpolnischen Dialoge über die Realisierung des Projektes, an der sich beide Seiten beteiligten. Sie wurden in einem Klima von wechselseitigem Vertrauen und beidseitiger Sympathie geführt. Durch das Blättern in den „Kindheitsmustern“ ist Christa Wolf in ihre Geburtsstadt heimgekehrt. Eine deutsche Literatin des polnischen Gorzow. Gregor Stach